Zitat:
Zitat von Ayla
....91% bei 160.000 politisch Interessierten ist starker Tobak, maxx.
Wie erklärst Du Dir das?
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Also erst mal vorab: ich hab da gar keine Meinung zu, ob entlassen oder nicht. Dazu kenne ich die derzeitigen persönlichen Ansichten und das Verhalten der letzten Jahre der Gefangenen nicht genug; eigentlich überhaupt nicht.
Aber ein paar Gedanken wie es zu den 91% gekommen sein mag.
1.
Die Zusammensetzung der Gesprächsrunde hat da einen nicht unerheblichen Anteil dran.
Drei Betroffene (ich zähle Frau Röhl zu den Opfern) die selbstredend aufgrund ihrer eignen Involviertheit nur gegen eine Entlassung sein können. (jedenfalls im jetzigen Stadium Ihrer psychischen Entwicklung)
-Frau Röhl therapiert sich übers Schreiben (und der daraus resultierendenZuwendung/-stimmung durch Leser) selbst,
-der Herr von dem Anschlag in Djerba stritt sogar Rachegedanken ab, was dann zum Glück von einem anwesenden Psychotherapeuten des "Weissen Ring" nachdrücklich widerlegt wurde, weil Rachegedanken und -gefühle in der ersten Zeit als ein Weg zur Überwindung des Traumas durchaus sogar erforderlich sein können.
-Herr Schönbohm sprach sich auch "gegen" aus, hatte aber -vermutlich weil politisch noch zu aktiv- irgendwie nix "Handfestes" an Argumenten zu bieten.
-Am distanziertesten erschien mir noch Herr Buback, der vermutlich auf Grund der inzwischen vergangenen Zeit eine zwar negative Einstellung zu einer Entlassung, aber zum Ende der Sendung durchaus auch differenzierende Ansichten, vertrat.
-Ein Geistlicher, der zwar für "Gnade" plädierte, sich aber auf Grund seiner etwas welt- bzw. zumindest themenfremden Beispiele selbst ins Abseits manövrierte.
-Damit war der einzige "Pro"
Prüfung einer Entlassung lediglich der ehemalige Justizminister Baum.
2.
natürlich sorgte diese
Überzahl an Betroffenen auch für die entsprechende Stimmung, was sich im Abstimmungsergebnis wiederspiegelt.
3.
waren ganz oft wieder diese
"aber die Opfer"-Argumente zu hören, was natürlich auf der emotionalen Ebene immer zieht.
4.
Zusammensetzung der Zuschauer. Die Sendung dürfte wohl von Menschen mit tieferliegendem politischen Interesse weniger gesehen werden, als von Menschen die sich Politik mal eben so noch kurz vorm Schlafengehen reinziehen. Das heisst es werden da ganz schnell Positionen bezogen, die von den Akteuren auf dem Bildschirm (Zusammensetzung siehe oben) vertreten werden, bzw. jedwede annähernd ähnliche Äusserung, wie man sie selber vertritt verursacht eine Solidarisierung, aber oft mit gar keiner oder nur geringer Hinterfragung.
5.
Wer gibt schon (Telefon-)Geld aus für eine Abstimmung, die nix bewirkt ausser seiner Stimmung Ausdruck zu verleihen?
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Zwei Dinge muß ich denn doch loswerden:
1. Herr Baum hat da drauf hingewiesen, und ich habs in einem meiner obigen Koms vergessen obwohl ichs im Kopf hatte (ja manchmal ist da was drin
):
Als die inhaftierten RAFler als Kriegsgefangene (sie sahen sich im Krieg gegen den Staat) anerkannt werden wollten, wurde das -wie ich finde und auch damals schon fand- zu Recht abgelehnt. Die damalige Justiz wusste natürlich auch genau warum:
1.
hätte man damit den Gefangenen einen anderen Status als "normalen" Gefangenen zugestanden mit allen Vorteilen. (wie z.B. Überwachung ihrer Prozesse durch internationale Beobachter, mögliche Auslieferung in einen anderen Staat)
2.
hätte man damit auch den "Krieg" angenommen,
3. (und das halte ich für den Hauptgrund)
hätte man eingestehen müssen, dass die Ziele der RAF durchaus begründet sein könnten. Zumindest hätte man den Argumenten - so abwegig sie auch gewesen sein mögen- eine weitere Ebene bieten müssen.
So, und jetzt kommen wir zum Heute: wenn doch die RAF´ler ganz "normale" Kriminelle sind, gehört Ihnen auch das gleiche Recht zugesprochen, das jeder andere Mörder hat.
Klar kann man ob der "Gerechtigkeit" und Angemessenheit dieses justitiellen Vorganges geteilter Meinung sein, aber er ist nun mal Fakt. Und sollte jemand auf die Idee kommen, diesen Fakt auf Terroristen der RAF
nicht anzuwenden, erklärt er eigentlich ganz klar, dass er den Rechtsstaat in seiner derzeitigen Verfassung nicht haben will. (ich verkneif mir jetzt mal drauf hinzuweisen, dass genau das auch Ziel damaliger Terroristen gewesen ist)
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-Was sich in der Sendung auch bestätigte, ist meine hier von Anfang an schon mehrfach vertretene Meinung, dass dieses Zeit und diese Vorkommnisse noch lange nicht "richtig" aufgearbeitet wurden.
-Ferner widersprechen sowohl die Zusammensetzung der Gesprächsrunde als auch das ermittelte Telefonergebnis wohl deiner These der Deutungshoheit. Womit wir wieder beim Thema wären, denn die "Entlassungen" sind eigentlich in einem anderen Strang angesprochen. (aber das nur nebenbei)